„Es gab gute Momente und auch welche, die nicht so gut waren“, berichtete die heute 16-jährige Marielle beim jüngsten Steinfelder Abend zu den Themen Flucht, Migration und Integration. Die junge Frau kam im Alter von drei Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland und stammt aus einem kleinen Dorf in der westafrikanischen Elfenbeinküste. In der Schule etwa, so die junge Frau seien viele Mitschüler freundlich auf sie zugekommen – einige allerdings auch nicht. Heute ist das kein Thema mehr. Die Euskirchenerin spricht neben Französisch ebenso fließend Deutsch. Sie besucht das St.-Michael-Gymnasium in Bad Münstereifel und möchte nach dem Abitur Medizin studieren.
Marielle ist voll integriert – sie ist eines der „Vorbilder“, die die Ausstellung „Bingo“ (steht für „Beste Integration“) des Jugendmigrationsdienstes Euskirchen präsentiert. Zehn junge Menschen mit Migrationshintergrund, die es geschafft und den Kreis Euskirchen zu ihrem Zuhause gemacht haben, erzählen auf großflächigen Ausstellungstafeln ihre Geschichte. Die Ausstellung ist aktuell im Steinfelder Hermann-Josef-Kolleg zu sehen. Der Leiter des Jugendmigrationsdienstes, Norbert Weber, war einer der Referenten beim Steinfelder Abend und hatte einige der „Vorbilder“ mitgebracht, ursprünglich stammen sie neben der Elfenbeinküste aus Togo, Russland und Kasachstan. „Ich lerne in meiner täglich Arbeit so viele Vorbilder kennen“, berichtete Weber, „aber man muss sie auch fördern.“ Der Jugendmigrationsdienst bietet unter anderem einjährige Integrationskurse sowie Schulungen für Ehrenamtler an.
Zweite Referentin war die Historikerin Dr. Gabriele Rünger, die zuvor schon durch die Ausstellung „Kommen – Gehen – Bleiben“ zur Geschichte der Migration im Kreis Euskirchen geführt und diese damit beendet hatte. Sechs Wochen lang waren die Exponate im Kreuzgang des Salvatorianerklosters zu sehen gewesen. „Als wir 2012 mit der Recherche zur Ausstellung begonnen haben, konnten wir nicht ahnen, welche Brisanz die Ausstellung heute haben würde“, kommentierte Dr. Rünger mit Bezug auf die Flüchtlingssituation. Hinsichtlich gesellschaftlicher Phänomene sei die Herangehensweise von Historikern eine andere als etwa die von Politikern oder Journalisten: „Wir betrachten sehr lange Zeiträume und hoffen, dass man daraus Lehren ziehen kann.“ Das Thema Migration griff die Historikerin anhand von Ausschnitten aus der deutschen Tragikomödie „Almanya – Willkommen in Deutschland“ auf. Er thematisiert die Fragen nach Identität und Heimat einer türkischen Gastarbeiterfamilie, die mittlerweile in dritter Generation in Deutschland lebt. Alles begann mit Großvater Hüseyin, der 1964 als 1.000.001. Gastarbeiter nach Deutschland kam…
Das große Interesse zeigte, dass die Themen des Abends – „Flucht, Migration und Integration“ – die Menschen bewegen. So ergaben sich auch nach der Veranstaltung zahlreiche Gespräche.
Beim Steinfelder Abend, einer Veranstaltungsreihe des Hermann-Josef-Kollegs (HJK), präsentierte sich die Schulgemeinschaft als starke Gemeinschaft. Organisiert wurde der Abend diesmal von der ehemaligen HJK-Schülerin Sophie Rutter im Rahmen ihres Praktikums beim Jugendmigrationsdienst. Zahlreiche Lehrkräfte hatten im Vorfeld mitgeholfen, ebenso wie unter anderem Schulleiter Heinrich Latz, sein Stellvertreter Willi Frauenrath und die Schulpflegschaftsvorsitzende Petra Kanzler an der Veranstaltung teilnahmen. Für das Catering sorgten – gegen Spenden für den Abiball – die Oberstufenschülerinnen Desirée Hübinger-Klinkhammer, Nicki Dederichs und Irena Arndt. Sie präsentierten einleitend auch Textbeiträge zum Thema. Vanessa Malburg berührte mit einer einfühlsamen Interpretation des Stücks „Candle in the wind“. Musikalisch begleiteten ihre Mitschüler Michael Thelen (Akkordeon) und Patrick Kremer (Trompete) den Steinfelder Abend.
Bilder und Bericht: Alice Gempfer (pp/Agentur ProfiPress)