2015/2016LiteraturSchuljahre

Kall-Stein­feld — Ehr­li­cher hät­te die Auf­füh­rung des “Faust in Stein­feld” wohl kaum begin­nen kön­nen. “Wann soll ich den denn gele­sen haben?”, frag­te Sebas­ti­an Feh­rin­ger auf die Fra­ge sei­ner Mit­schü­ler, ob er Goe­thes Faust denn nicht gele­sen habe. “Im Unter­richt?”, so die fra­gen­de Ant­wort von Sarah Jen­ni­ges. “Ganz bestimmt nicht”, kam es lapi­dar zurück.
Gene­ra­tio­nen von Schü­lern haben den Lite­ra­tur­klas­si­ker im Unter­richt bereits seziert. “Die Schü­ler müs­sen ihn laut Richt­li­ni­en für das Zen­tral­ab­itur im Fach Deutsch gele­sen haben”, erläu­tert Micha­el Schmitz, Leh­rer am Stein­fel­der Her­mann-Josef-Kol­leg. Im Lite­ra­tur­kurs der Jahr­gangs­stu­fe Q1 knüpf­te Schmitz an den Deutsch-Unter­richt an und brach­te Faust mit den Schü­lern auch auf die Büh­ne. Aller­dings nicht nur auf die Büh­ne, son­dern an neun ver­schie­de­ne Orte in und um das Kol­leg. “Der Kurs ist in jedem Jahr aus­ge­rich­tet auf eine Pro­duk­ti­on”, schil­dert Schmitz. So zähl­ten auch Schau­spiel­trai­ning, Pres­se­ar­beit und Film­pro­duk­ti­on zum Unter­richts­in­halt.
Das Ergeb­nis soll­te in einer öffent­li­chen Auf­füh­rung mün­den. “Klar war, dass wir schei­tern wer­den, wenn wir Faust in klas­si­scher Wei­se auf­füh­ren”, so Schmitz. Also ent­warf der Kurs sei­ne eige­ne Insze­nie­rung des Stof­fes. Damit alle 30 Schü­ler ihren Platz fan­den, wur­den die Figu­ren in den ver­schie­de­nen Sze­nen immer wie­der von ande­ren Jugend­li­chen dar­ge­stellt. “Am Anfang haben wir uns über­legt, was man an zen­tra­len Ereig­nis­sen für den Faust wis­sen muss”, erklärt Schmitz. So wur­den gemein­sam Sze­nen aus­ge­wählt und bei Bedarf zusam­men­ge­fasst und gekürzt. “Es kam früh zum Pro­zess, dass die Schü­ler in Grup­pen ein­zel­ne Sze­nen über­legt haben”, führt er wei­ter aus.
Die Schü­ler hoben das Stück auf drei Ebe­nen. Da Sebas­ti­an Feh­rin­ger den Faust — natür­lich nur in sei­ner Rol­le — nicht gele­sen hat­te, erklär­ten Sarah Jen­ni­ges und Felix Pla­ga anhand der Spiel­sze­nen das Werk und wan­der­ten mit ihm und dem Publi­kum von Spiel­ort zu Spiel­ort. Dort stell­ten ihre Mit­schü­ler die zwei­te Ebe­ne, näm­lich die von Goe­the geschrie­be­nen Sze­nen, dar. Los ging es auf der Büh­ne der Aula, auf der Sarah und Felix die Schau­spie­ler dra­pier­ten und Faust und Gret­chen auf Sack­kar­ren dazu scho­ben. Die­se lus­ti­gen Ein­schü­be ent­stamm­ten der Krea­ti­vi­tät der Schü­ler. Eben­so wie die Kom­men­ta­re in heu­ti­ger Jugend­spra­che. Im Stu­dier­zim­mer, das in einem Klas­sen­zim­mer dar­ge­stellt wur­de, offen­bar­te sich die drit­te Ebe­ne. Neben dem Ori­gi­nal Goe­thes wur­de die Sze­ne par­al­lel dazu in der heu­ti­gen Zeit ver­or­tet. Geschickt nutz­te der Kurs die Gege­ben­hei­ten vor Ort als Kulis­se — sei es die gepflas­ter­ter “Vieh­gas­se”, das Mari­en­bild im Frei­en oder gar die Basi­li­ka mit ihrer Orgel.
Die zahl­rei­chen Zuschau­er belohn­ten die Arbeit der Schü­ler am Ende mit star­kem Applaus.
Text und Bil­der: pp/Agentur Pro­fi­Press