Zu Hau­se vorm Bade­zim­mer­spie­gel mag eine Anspra­che an ein ima­gi­nier­tes Publi­kum ja noch recht über­zeu­gend gelin­gen, aber wenn man einem ech­ten Audi­to­ri­um gegen­über­steht, dann zeigt sich erst, ob man wirk­lich zum Spre­cher gebo­ren wur­de. Die zehn jun­gen Leu­te, die sich am Sonn­tag­mor­gen in der Aula des Her­mann-Josef-Kol­legs in Stein­feld tra­fen, hat­ten offen­sicht­lich kei­ne Pro­ble­me damit, auch vor einer grö­ße­ren Men­schen­men­ge samt drei­köp­fi­ger Jury einen Vor­trag zu hal­ten. Ihre Ner­vo­si­tät hat­ten sie im Griff, ihr pro­fes­sio­nel­les Auf­tre­ten bes­tens ein­stu­diert, und selbst ein klei­ner Büh­nen­sturz – der Alp­traum aller Red­ner – konn­te sie nicht aus dem Kon­zept brin­gen. Krön­chen rich­ten, wei­ter reden, lau­te­te die Devi­se.
Frank Weim­bs, der den Rhe­to­rik-Wett­be­werb – in die­sem Jahr erst­mals vom Rota­ry-Club Eus­kir­chen-Burg­fey und dem Part­ner­club aus Eus­kir­chen aus­ge­tra­gen – zum wie­der­hol­ten Mal mode­rier­te, berich­te­te, dass die Vor­be­rei­tungs­pha­se in die­sem Jahr recht kurz gewe­sen sei. Um nicht wei­ter­hin, wie in den ver­gan­ge­nen Jah­ren, den Wett­be­werb inmit­ten der Abitur­vor­be­rei­tungs­zeit aus­zu­tra­gen, habe man den ent­schei­den­den Distrikt­wett­be­werb bereits auf den 20. Janu­ar gelegt. „Das hat uns alle etwas über­rascht und zwingt uns zur Impro­vi­sa­ti­on“, so Weim­bs.
Doch trotz der gebo­te­nen Eile schick­ten mehr Schu­len ihre Rhe­to­ren ins Ren­nen als zuvor. Frank Weim­bs erin­ner­te in sei­ner Anspra­che dar­an, dass der Rhe­to­rik­wett­be­werb nur eines von vie­len Pro­jek­ten sei, die die mehr als 35.000 Rota­ry-Clubs mit ihren 1,2 Mil­lio­nen Mit­glie­dern welt­weit ver­an­stal­te­ten. Durch das För­dern der Rede­kunst möch­te der Club zur Per­sön­lich­keits­bil­dung jun­ger Leu­te bei­tra­gen und ihnen damit einen Schlüs­sel zum beruf­li­chen und auch pri­va­ten Erfolg an die Hand geben.
Über die Rede­küns­te der jun­gen Leu­te wach­te eine drei­köp­fi­ge Jury, bestehend aus Hel­mut Lanio, vier Jahr­zehn­te für das Medi­en­haus Weiss tätig, der Sopra­nis­tin Sieg­lin­de Schnei­der, die auch mit Schau­spie­lern, Mode­ra­to­ren, Rund­funk­spre­chern, Füh­rungs­kräf­ten, Musi­kern und Sän­gern an deren Stimm­bil­dung arbei­tet, sowie Vio­la Alva­rez, Schrift­stel­le­rin und in der Manage­ment­ent­wick­lung tätig. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler muss­ten ein The­ma eige­ner Wahl frei vor­tra­gen und dafür einen Anlass oder eine fik­ti­ve Ver­an­stal­tung wäh­len, in der die Rede gehal­ten wer­den soll­te. Bewer­tet wur­den sach­li­che Kor­rekt­heit und logi­scher Auf­bau sowie Zuhö­rer­ori­en­tie­rung und Über­zeu­gungs­kraft. Aber auch für die Ori­gi­na­li­tät des Vor­trags­stils, für das Sprach­ni­veau und die Aus­spra­che gab es Punk­te.
Nach knapp vier Stun­den Vor­trags­ma­ra­thon und einem Mit­tag­essen im Klos­ter stan­den schließ­lich die Sie­ger fest: Auf dem ers­ten Platz lan­de­te der 18-jäh­ri­ge León Oechs­le aus Heim­bach mit sei­nem The­ma: „Der Blick hin­ters Scheu­nen­tor, Rei­sen als Weg in die Zukunft.“ Jury­spre­che­rin Vio­la Alva­rez beton­te vor allem das über­zeu­gen­de und stim­mi­ge Gesamt­kon­zept, den nar­ra­ti­ven Auf­bau und den guten Span­nungs­bo­gen des Vor­trags. León Oechs­le, der das Bischöf­li­che Cla­ra-Fey-Gym­na­si­um (CFG) in Schlei­den besucht, erhielt 400 Euro und darf im Janu­ar am Distrikt­fi­na­le teil­neh­men.
Der zwei­te Platz ging an die erst 16-jäh­ri­ge Mar­la Kroll, die einen höchst enga­gier­ten Vor­trag unter dem Titel „Öff­net eure Schub­la­den!“ hielt, in dem sie sich für mehr Indi­vi­dua­li­tät aus­sprach. Denn in Wahr­heit woll­ten die Men­schen gar nichts Beson­ders sein, so Kroll, da ihre Ste­reo­ty­pien ihnen doch die größ­te gesell­schaft­li­che Sicher­heit böten. Die Jury lob­te denn auch die hohe Ori­gi­na­li­tät und das gelun­ge­ne Gegen­kon­zept zum Schub­la­den­den­ken. Mar­la Kroll vom Her­mann-Josef-Kol­leg (HJK) Stein­feld erhielt 250 Euro.
Der mit 150 Euro dotier­te drit­te Preis ging an Mei­ke Krupp von der Mari­en­schu­le Eus­kir­chen. Die 16-Jäh­ri­ge the­ma­ti­sier­te das The­ma Gleich­be­rech­ti­gung im Fuß­ball. Die Jury lob­te, dass sie ein sehr kon­tro­ver­ses The­ma zu einem ver­söhn­li­chen Ende geführt und ihre eige­ne Erfah­rungs­welt ver­ar­bei­tet habe.
Die drei Erst­plat­zier­ten gewan­nen zudem die Teil­nah­me an einer drei­glied­ri­gen Rhe­to­rik­schu­lung, die von Jury­mit­glied Vio­la Alva­rez abge­hal­ten wird. Wei­ter­hin erhielt das CFG als Schu­le des Sie­gers 500 Euro für die Finan­zie­rung von Sach­mit­teln.
Gewis­ser­ma­ßen auf dem gemein­sa­men vier­ten Platz, der eben­falls mit einer finan­zi­el­len Aner­ken­nung ver­bun­den war, lan­de­ten die übri­gen Teil­neh­mer des Wett­be­werbs. „Die Nicht-Gewin­ner soll­ten sich nicht zu sehr fra­gen, war­um sie kei­nen der ers­ten drei Plät­ze ergat­tert haben, son­dern sie soll­ten wei­ter­hin über­zeugt sein von dem, was sie anbie­ten, das ist unser Wunsch als Jury“, so Vio­la Alva­rez.
Auf dem vier­ten Platz lan­de­ten in schu­li­scher Rei­hen­fol­ge: Michel­le Etsch­ber­ger vom Emil-Fischer-Gym­na­si­um (EFG), die die pro­vo­kan­te The­se ver­trat „Rhe­to­rik braucht nie­mand“. Dia­na Kil­ler (EFG), die dem Mini­ma­lis­mus hul­dig­te und die Zuhö­rer auf­for­der­te, sich von Din­gen, die sie nicht benö­tig­ten, zu tren­nen, um mehr Zeit für das eigent­li­che Leben zu haben. Iva­na Delac (HJK), die als eine Men­schen­recht­le­rin und Gewin­ne­rin des Frie­dens­no­bel­prei­ses die Büh­ne betrat und die Gesell­schaft auf­for­der­te, sich zu ver­än­dern. Lisa-Marie Düm­mer (HJK), die in die Rol­le einer Frau mit Angst­stö­run­gen schlüpf­te und deren Geschich­te in einer thea­ter­rei­fen Vor­stel­lung erzähl­te. Jill Wiß­kir­chen (Mari­en­schu­le Eus­kir­chen), der den gesell­schaft­li­chen Erfolg als Ziel des Lebens in Fra­ge stell­te. Sofia Fra­ge­da­kis (CFG), die auf einer fik­ti­ven Fach­ta­gung Mög­lich­kei­ten und gesell­schaft­li­che Aus­wir­kun­gen der Euge­nik vor­stell­te. Nane Lor­se (CFG), die sich der Spra­che wid­me­te und auf­zeig­te, wie man Men­schen durch Spra­che beherr­schen kann, und wie sich den­noch in der Spra­che erst Welt und Zukunft gestal­ten las­sen.
Trotz des anstren­gen­den Vor­mit­tags hat­ten eini­ge der jun­gen Leu­te noch immer nicht genug vom Spre­chen und nah­men vor der Preis­ver­ga­be frei­wil­lig an einem wei­te­ren Wett­be­werb teil, bei dem sie ein The­ma gestellt beka­men und bereits nach zehn Minu­ten einen Vor­trag dazu hal­ten muss­ten.
Frank Weim­bs bedank­te sich beim Her­mann-Josef-Kol­leg und hier beson­ders bei Dia­na Hoch von der Fach­schaft Deutsch, für die Bereit­schaft, den Wett­be­werb erneut aus­zu­rich­ten. Beson­de­rer Dank ging auch an die Kreis­spar­kas­se Eus­kir­chen, die den Wett­be­werb wie­der finan­zi­ell unter­stützt hat­te.
Eife­l­er Pres­se Agentur/epa
Quel­le: https://eifeler-presse-agentur.de/2017/11/langer-rhetoriksonntag-im-hermann-josef-kolleg-steinfeld/